Viele Männer, die in absehbarer Zeit in Rente gehen, sind auf die neue Situation nicht vorbereitet
Redaktion: Frau Hinken, was hat Sie motiviert ein Seminar zum Thema „Hilfe! Mein Mann geht in Rente“ anzubieten?
Ria Hinken: Der Mann meiner Freundin, die Ärztin ist, ging in Rente. Die ersten Wochen war alles völlig entspannt. Dann fing er an, täglich Brote zu schmieren, um sie seiner Frau mit in die Praxis zu geben. Meine Freundin wusste nicht, was sie damit anfangen sollte, denn sie hatte noch nie belegte Brote in ihre Praxis mitgenommen. Das hat mich motiviert, andere Frauen zu befragen, was sie für Erfahrungen gemacht haben.
Red.: Und was haben diese Frauen Ihnen erzählt?
RH: Plötzlich hörte ich die wildesten Geschichten. Das hat mich sehr an Loriot und „Pappa Ante Portas“ erinnert. Zunächst dachte ich daran, diese Geschichten zu sammeln und in einem Buch zu veröffentlichen.
Red.: Gibt es dieses Buch schon?
RH: Nein, bis heute leider nicht. Irgendwann kam mir die Idee, ein Seminar für Frauen anzubieten, deren Männer nicht so richtig wissen, was sie mit ihrer Zeit im Rentendasein anfangen sollen.
Red.: Und was lernen die Frauen in ihrem Seminar?
RH: Na ja, lernen würde ich es nicht nennen. Wir erarbeiten gemeinsam Strategien, die einen entspannten Umgang mit der aktuellen Situation ermöglichen. Wir tauschen uns aus, gehen auf die Suche nach sinnvollen Beschäftigungsangeboten.
Red.: Wie muss man sich das konkret vorstellen?
RH: Sie werden verstehen, dass ich das hier nicht im Detail erklären kann. Es hängt ganz davon ab, welche Erfahrungen die einzelnen Frauen gemacht haben. Etwa 10 -15 % der männlichen Ruheständler werden depressiv. Da hilft nur noch eine professionelle Therapie.
Red.: Raten Sie dann den Frauen ihren Mann zum Psychiater zu schicken?
RH: Nein, ich bin keine Ärztin oder Therapeutin, die aus der Ferne beurteilen kann, ob jemand in eine Therapie oder gar Klinik gehen muss. Ich empfehle den betroffenen Frauen, sich bei ihrem Hausarzt oder einer Beratungsstelle zu informieren. Bislang kam das nur einmal vor. Es geht meist um Alltagsprobleme, die sich mit der Zeit jedoch anstauen können.
Red.: So wie bei Ihrer Freundin mit den belegten Broten?
RH: Genau. Es treten da meist eher lustige Phänomene zu Tage, die sich aber langfristig auch zu ausgewachsenen Beziehungsproblemen entwickeln können. Immerhin wächst die Scheidungsrate von Langzeit-Ehen kontinuierlich. Scheidungen nach 30 und mehr Ehejahren sind keine Seltenheit Das belegen verschiedene Studien. Gerade Männer, die einen verantwortungsvollen Job hatten, haben oft keine oder nur noch sehr wenige Freunde, weshalb sie dann mit einer Trennung sehr schlecht zurechtkommen.
Damit jetzt kein Missverständnis aufkommt. Mein Seminar ist keine Aufforderung zur Trennung, sondern das genaue Gegenteil. Wir gehen gemeinsam die Themen an, um Lösungen zu finden. Ich muss aber ganz deutlich sagen, dass ich nicht das Verhalten der Männer bzw. Partner verändern kann. Verändern kann man nur sich selbst. Wenn Paare große Altersunterschiede aufweisen, dann kommt es vor, dass die Männer ihre Partnerinnen übermäßig kontrollieren. Derartiges Verhalten verstärkt sich meist in der Rente. Solche Probleme können wir im Seminar natürlich nicht lösen. Hier wird therapeutische Hilfe benötigt.
Red.: Müssten dann nicht die Männer in ein Seminar gehen?
RH: Es gibt auch Seminarangebote für Männer, aber leider ist das Interesse von Seiten der Männer nicht besonders groß. Man wartet lieber ab. Frauen sind flexibler. Sie gehen die anstehenden Themen aktiv an.
Red.: Wo kann man erfahren, wann das nächste Seminar stattfindet?
RH: Die Termine findet man auf dem Blog https://alterskompetenz.info/ Oben in der Leiste Termine oder Veranstaltungen anklicken.
Red.: Ich danke Ihnen für das Gespräch.