Wissenschaftsteam erforscht Gemeinsamkeiten von Populisten und Verschwörungsanhängern
Populisten und Verschwörungsanhänger haben eine Gemeinsamkeit: Sie neigen dazu, misstrauisch zu sein. Das geht aus einer neuen Publikation von Isabel Thielmann und Benjamin Hilbig hervor. Hierfür hat die promovierte Psychologin Thielmann, die am Freiburger Max-Planck-Institut zur Erforschung von Kriminalität, Sicherheit und Recht forscht, gemeinsam mit dem Psychologieprofessor Hilbig von der Universität Kaiserslautern-Landau drei Studien in Deutschland und Großbritannien durchgeführt.
Populisten sind nach Definition der Wissenschaft Menschen, die glauben, dass die Gesellschaft in das „einfache Volk“ auf der einen Seite und korrupte und eigennützige Eliten auf der anderen Seite gespalten ist. Menschen, die zu Verschwörungstheorien neigen, hegen den Verdacht, dass eine Gruppe von – oft mächtigen – Akteuren sich im Geheimen zusammentut, um böswillige Ziele zu erreichen. Beiden Gruppen ist ein Weltbild gemeinsam, dass auf einen vereinfachten „wir gegen die“ bzw. „gut gegen böse“-Gegensatz beruht. Diese Ansichten haben häufig einen direkten Einfluss auf das Leben dieser Personen: Sie grenzen sich ab, lehnen wissenschaftliche Erkenntnisse ab, glauben an unplausible Thesen und schüren die Spaltung der Gesellschaft – ein Phänomen, das in der Pandemie besonders deutlich zutage trat.
Ein Wissenschaftsteam des Max-Planck-Instituts zur Erforschung von Kriminalität, Sicherheit und Recht in Freiburg und der Rheinland-Pfälzischen Technischen Universität Kaiserslautern-Landau geht nun der Frage nach, ob Populismus und Verschwörungsmentalität eine gemeinsame psychologische Grundlage haben. Ihre These: Populismus und Verschwörungsmentalität sind eine Manifestation von Denk-, Gefühls- und Verhaltensmustern, also der Persönlichkeit von Menschen. Oder anders ausgedrückt: Populisten oder Menschen, die zu Verschwörungstheorien neigen, haben eine ähnliche Disposition, also Veranlagung.
Um diesen gemeinsamen Kern von Populismus und Verschwörungsmentalität zu ergründen, führten die Forschenden drei Befragungen mit insgesamt rund 1.900 Probandinnen und Probanden in Deutschland und Großbritannien durch. Die Ergebnisse sind kürzlich im Fachmagazin Political Psychology erschienen. Anhand standardisierter Fragebögen, in denen die Teilnehmenden bestimmten Aussagen in verschiedenen Nuancen zustimmen konnten (von „stimme überhaupt nicht“ zu bis „stimme voll zu“) wurden zunächst ihre Überzeugungen und Glaubenssätze ermittelt. Abgefragt wurden Aussagen wie „Leute wie ich haben keinen Einfluss darauf, was die Regierung macht“, „Politiker stimmen am Ende immer überein, wenn es darum geht ihre Eigeninteressen zu wahren“ oder „Es geschehen sehr viele wichtige Dinge in der Welt, über die die Öffentlichkeit nie informiert wird“.
In einem weiteren Schritt wurden den Teilnehmenden 60 Fragen gestellt, um besondere Persönlichkeitszüge strukturiert erfassen zu können. Mit Hilfe dieser Fragen wollten die Forschenden den sogenannten „dark factor“, den sogenannten Faktor D, der Persönlichkeit darstellen. Dieser definiert die Prinzipien, die allen „dunklen“ Persönlichkeitseigenschaften zugrunde liegen. D ist definiert als allgemeine Tendenz, seinen Nutzen auf Kosten anderer zu maximieren und die Kosten für andere nicht zu bemerken, in Kauf zu nehmen oder böswillig hervorzurufen. Individuen mit einer hohen Ausprägung auf D werden ihre eigenen Interessen rücksichtslos verfolgen, auch wenn dies anderen schadet – oder sogar um des Schadens anderer willen. Professor Benjamin Hilbig von der Universität Kaiserslautern-Landau hatte vor einigen Jahren das Konzept des „dunklen Faktors“ gemeinsam mit Kolleginnen und Kollegen aus Ulm und Kopenhagen erforscht und bekannt gemacht.
Von anderen Gruppen beeinflusst, gesteuert und ausgenutzt
Anhand der drei aktuellen Studien fanden Isabel Thielmann und Benjamin Hilbig nun heraus, dass Menschen, die zu Populismus und Verschwörungsmentalität neigen, einen gemeinsamen Kern haben: Sie misstrauen: anderen, der Gesellschaft und insbesondere den sogenannten „Eliten“. „Menschen mit einer Disposition zu Misstrauen haben wenig Vertrauen in andere Menschen oder in die Gesellschaft. „Sie sind überzeugt davon, dass andere nur auf ihren eigenen Nutzen aus sind und daher nicht davor zurückschrecken, andere auszunutzen“, erläutert Max-Planck-Wissenschaftlerin Isabel Thielmann. Andere Menschen würden generell als unzuverlässig, ausbeuterisch und selbstsüchtig wahrgenommen.
„Das dispositionelle Misstrauen ist nicht nur ein Misstrauen auf rein interpersoneller Ebene, sondern umfasst ein Misstrauen in die Gesellschaft und die Welt im Allgemeinen. Diese Disposition kann schädliche Folgen für den sozialen Zusammenhalt und das Funktionieren der Gesellschaft haben“, ergänzt Benjamin Hilbig.
Die Erkenntnisse zeigen dem Wissenschaftsteam zufolge auf, wie bedeutsam Vertrauen für das Funktionieren einer Gesellschaft ist. Andersherum könnte die Steigerung des Vertrauens gleichzeitig Populismus und den Glauben an Verschwörungstheorien mindern. „Die Stärkung des allgemeinen Vertrauens kann ein wirksames Mittel sein, um Populismus und Verschwörungsmentalität zu bekämpfen“, sagen Thielmann und Hilbig. Um Vertrauen zu schaffen, bedürfe es einer transparenten Kommunikation. Die Hoffnung der Forschenden ist es nun, dass die Erkenntnisse der Studie dazu führen werden, Wege zur Steigerung des allgemeinen Vertrauens zu finden, um Populismus und Verschwörungsmentalität langfristig entgegenzuwirken.
5. April 2023