Unstatistik des Monats
Mit der „Unstatistik des Monats“ hinterfragen Forschende jeden Monat jüngst publizierte Zahlen und wie diese interpretiert werden. In der „Unstatistik“ vom 31. Januar 2025 erklärte Gerd Gigerenzer, langjähriger Direktor am Max-Planck-Institut für Bildungsforschung und Leiter des Harding-Zentrums für Risikokompetenz, was wirklich hinter der Aussage, „fast 80 Prozent der Asylbewerber machen Urlaub in ihrem Heimatland“, steckt, die Elon Musk auf X verbreitet und die dort einen Sturm der Entrüstung ausgelöst hatte.

Statistiken kritisch. © Arne Sattler für MPG
Von Gerd Gigerenzer
Die Zahl „fast 80 Prozent“ (genauer gesagt 79 Prozent) geht auf eine Umfrage des Meinungsforschungsinstituts Novus aus dem Jahr 2022 in Schweden zurück. Aus einem Panel von 50.000 in Schweden lebenden Personen wurden etwa 1000 zufällig ausgewählt, die im Ausland geboren wurden. 85 Prozent davon waren in ihr Heimatland in Urlaub gefahren – und zwar nach Finnland, Norwegen, Dänemark oder Deutschland, von wo aus sie ursprünglich nach Schweden gezogen waren. Lediglich 183 Personen gaben an, dass sie vor einem Krieg geflohen oder aus politischen Gründen nach Schweden gekommen waren, was als Hinweis darauf gewertet wurde, dass es sich hierbei um Asylsuchende handle. Von diesen 183 Migrantinnen und Migranten haben 79 Prozent Urlaub in ihrem Heimatland
Umfrage lässt keine Rückschlüsse auf aktuelle Situation zu
In dem X-Post wurde unterstellt, dass diese Personen erst vor Kurzem migriert seien. Doch das war nicht der Fall. Die 183 Personen waren in den vergangenen 80 Jahren nach Schweden gekommen, meist in den 1970er- bis 1990er-Jahren, wegen des Krieges in Jugoslawien, des Iran-Irak-Kriegs der 1980er-Jahre, der Flucht vor dem chilenischen Diktator Pinochet oder dem Zusammenbruch der Sowjetunion. Sie lebten also in der Regel bereits 30 bis 50 Jahre in Schweden und sprachen auch fließend Schwedisch – sonst wären sie nicht in das Panel von Novus selektiert worden. Nur 23 von ihnen kamen nach 2010 nach Schweden, aber woher sie kamen und was ihr Immigrationsstatus war, das hat die Umfrage nicht erfasst.
Was hat die Umfrage nun wirklich gezeigt?
79 Prozent von 183 Migranten, die in den vergangenen 80 Jahren nach Schweden gezogen sind, haben Urlaub in ihrem Heimatland gemacht. Das sind die Fakten. Der Rest ist gezielte Irreführung der Öffentlichkeit.
Was Sie selbst tun können
Die ungehinderte Verbreitung von Falsch- und Fehlinformation, egal durch wen, schadet unserer demokratischen Gesellschaft. Facebook und X ersetzen nun institutionalisierte Faktenchecks durch Anmerkungen ihrer Nutzer, sogenannte „Community Notes“. Wie gut das Community-Notes-System wirklich funktioniert, können Sie selbst testen, indem Sie Elon Musks Aussage mit einer Anmerkung versehen, vorausgesetzt Sie haben selbst einen X-Account.