Altersgrenzen flexibler gestalten

9 Mai

Das Netzwerk „Altersbilder“ an der Universität Konstanz präsentiert ein Positionspapier mit sechs Impulsen für vielfältigere Altersbilder

6 Impulse für vielfältige Altersbilder. Ein Screenshot vom PDF dazu.

Das von der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG) geförderte wissenschaftliche Netzwerk „Altersbilder“ hat am heutigen 9. Mai 2023 ein Positionspapier veröffentlicht, ein sogenanntes White Paper. Unter der Leitung von Verena Klusmann präsentiert das Papier sechs Impulse für vielfältigere Altersbilder. Altersbilder – das sind persönliche und gesellschaftliche Vorstellungen vom Älterwerden, vom Altsein und von alten Menschen.

Das White Paper verdeutlicht, wie differenzierte Altersbilder zum Motor für Gesundheit und Entwicklung werden können. Basierend auf den Ergebnissen eines vom Altersbilder-Netzwerk organisierten Stakeholder-Workshops fordert die 41-köpfige Autor*innengruppe ein Umdenken: Altersgrenzen wie etwa der gesetzliche Rentenein- tritt seien zu starr und unflexibel und sollten neu diskutiert werden.

Für „bunte“ Role Models einsetzen, Tod und Sterben enttabuisieren und Altersbilder in Bildungsplänen verankern

Um konkrete Wirkungen entfalten zu können, formuliert das White Paper (http://www.health.uni-konstanz.de/images-of-aging) sechs Impulse – vom Apell, Teilhabe zu ermöglichen und eine positive Alternskultur zu prägen, bis zur Forderung, Stereotype und Ageismus klar zu benennen und dagegen einzutreten. Die Autor*innengruppe versteht das Papier als Selbstverpflichtung und ruft Akteur*innen aus Wissenschaft, Medien, Politik und Bildung dazu auf, sich ihren Forderungen an- zuschließen. So gelte es, sich für Diversität und Vielfalt einzusetzen und entsprechend diverse „bunte“ Role Models zu fördern. Es müsse stärker als bislang auf Agismus hingewiesen werden, also auf die Diskriminierung aufgrund des Alters. Dies sei die häufigste Form von Diskriminierung, bliebe jedoch zugleich häufig unerkannt, so die Autor*innengruppe.

„Für eine differenzierte Auseinandersetzung mit unseren Altersbildern müssen auch das Lebensende und Ängste hiervor in den Blick genommen werden“, sagt Verena

Klusmann, die das Altersbilder-Netzwerk seit 2016 an der Universität Konstanz geleitet hat und seit September 2022 Professorin für Gesundheitsförderung und Prävention an der Hochschule Furtwangen ist. „Tod und Sterben sind jedoch aus dem Alltag ausgelagert“. Die Autor*innen fordern, die Tabus rund um Tod und Sterben aufzuheben und das Lebensende mehr in den gesellschaftlichen Fokus zu rücken. Es gelte, Raum für Gespräche über das Leben im hohen Alter, das Sterben und den Tod zu schaffen.

Das Positionspapier betont, dass Altersbilder – ein bedeutsamer Hebel für Gesundheit und individuelle und gesellschaftliche Entwicklung – von Kindheit an verinnerlicht werden. Dennoch fehle in den Bildungsplänen von Kitas, Schulen, Ausbildungen und Hochschulen die reflektierte Auseinandersetzung mit dem Älterwerden. Besonders zum Tragen kämen negative Altersbilder in Bereichen der medizinischen Versorgung und Pflege, sagt Klusmann: „Weil falsche Normen herrschen, sind Fehlversorgungen und Unterinanspruchnahme weit verbreitet. Wir müssen damit aufräumen. Gebrechlichkeit und Depressionen im Alter sind nicht ‚normal‘.“

Was der Gesellschaft außerdem fehle, sei die Anerkennung der wirtschaftlichen Ressource, die alte Menschen darstellten. Ohne die Kinderbetreuung und das Engagement älterer Menschen jenseits der Erwerbstätigkeit beispielsweise würde eine enorme Wirtschaftskraft fehlen. Darüber hinaus stellen die Autor*innen klar: „Die Zahl der Ruheständler*innen, die Unternehmen gründen, steigt.“

Eine differenzierte Auseinandersetzung mit dem Älterwerden steigert die Lebenserwartung

„Durch vielfältigere Altersbilder können wir Entwicklungsspielräume eröffnen“, heißt es in dem Papier. Die Autor*innen führen aus, dass sich durch eine differenzierte Sicht auf das Älterwerden das Vorsorgeverhalten und die Gesundheit verbessern können. Aktuelle Studien liefern gar Belege, dass positive Altersbilder in jüngeren Jahren schließlich die Lebenserwartung bedeutsam steigern.

Altersbilder werden als wichtiger Motor für die individuelle und gesellschaftliche Entwicklung und für die Solidarität zwischen den Generationen betrachtet. „Im Verlauf der gesamten Lebensspanne lässt sich über den Hebel positiver Altersbilder die Lebensqualität bedeutsam erhöhen“, sagt Verena Klusmann.

Über das Netzwerk „Altersbilder“

Das wissenschaftliche Netzwerk „Altersbilder“ wurde von 2016 bis 2022 von der DFG mit 49.000 Euro gefördert. Geleitet hat es Verena Klusmann, zunächst Universität Konstanz, jetzt Hochschule Furtwangen. Im Herbst 2022 veröffentlichte das Altersbilder-Netzwerk ein Video (youtu.be/dSuOwo02RWI), das Altersbilder und ihre Wirkung erklärt und zum Nachdenken, Hinterfragen und Diskutieren anregt.

Faktenübersicht:

  • Originalpublikation: Klusmann, V. und 40 Co-Autor:innen (2023). How To: 6 Impulse für vielfältigere Altersbilder, 9. Mai 2023. Gemeinsam mit weiteren Informationen zum Netzwerk abrufbar unter: http://www.health.uni-kon- stanz.de/images-of-aging
  • Sonderausgabe des European Journal of Ageing mit acht wissenschaftlichen Artikeln mit Forschungsergebnissen des Altersbilder-Netzwerks: https://link.springer.com/journal/10433/volumes-and-issues/17-4
  • Zentrale Forschungsergebnisse des Altersbilder-Netzwerks: Junge und alte Menschen sind sich ähnlicher als wir glauben: Sie unterscheiden sich kaum darin, wie kreativ, energiegeladen oder weise sie sich fühlen (https://doi.org/10.1007/s10433-019-00548-4). Altersbilder spielen über die gesamte Lebensspanne bedeutsam mit Verhalten, Gesundheit und Entwicklung zusammen (https://doi.org/10.1007/s10433-019-00535-9).
  • Das wissenschaftliche Netzwerk „Altersbilder“ wurde von 2016 bis 2022 durch die Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) gefördert; Fördersumme 49.000 Euro.
  • Ein Video des Altersbilder-Netzwerks klärt darüber auf, wie Altersbilder entstehen und sich auswirken: youtu.be/dSuOwo02RWI