Genauer hinhören auch
Dr. Volker Busch und sein Podcast „Gehirn gehört“ gibt seinen Zuhörenden wunderbare Einblicke in die Welt der Psyche. Hoch spannend und immer unterhaltsam.
In einem Newsletter hat Volker Busch neulich über einen Podcast von Lanz und Precht berichtet. Die beiden haben über eine Studie aus Oxford gesprochen, in der Wissenschaftler festgestellt hatten, dass soziale Tiere länger leben. Scheinbar hatten Lanz und Precht aber nicht das interessante Ergebnis dieser Studie erfasst, denn sonst hätten sie das Ergebnis nicht so schlecht geredet.
Dr. Volker Busch hat sich mit dieser Studie eingehender beschäftigt. Dabei sind ihm interessante Aspekte aufgefallen, die nicht nur für das Tierreich gelten, sondern auch für uns Menschen.
Hier sein Fazit:

„Die Arbeitsgruppe aus Oxford ging der Fragestellung nach, wie lange die Vertreter verschiedener Tierarten leben, wie häufig sie sich fortpflanzen und wie widerständig sie gegenüber Umweltveränderungen sind, wenn sie „sozial“ organisiert sind 1.
Sozialität ist dabei definiert als Eigenschaft miteinander zu interagieren, zu kooperieren und in Gruppen zusammenzuleben (In eine solche Unterteilung gehen daher der Grad der räumlichen Nähe, der elterlichen Fürsorge, die Interaktion untereinander und die Arbeitsteilung innerhalb der Gruppe ein). Eine streng dichotome Einteilung ist hierbei natürlich nicht möglich; vielmehr handelt es sich eher um ein Kontinuum von weniger sozialen Tieren (bspw. viele Insektenarten, Reptilien, Eulen, Nashörner oder manche Raubkatzen) bis hin zu hochsozialen Tieren (bspw. Elefanten, Delphine, Papageien oder Erdmännchen).
Für die Studie untersuchten Forscher die demografischen Merkmale von insgesamt 152 Tierarten aus insgesamt 13 taxonomischen „Klassen“ (bspw. Vögel, Fische, Insekten und Säugetiere). Statistisch wurde ein sog. „Generalisiertes-Least-Squares-Modell“ verwendet. Dieses korrelative Verfahren wird eingesetzt, wenn Beziehungen zwischen Daten modelliert werden müssen, die nicht ganz unabhängig voneinander sind (dies ist bei phylogenetischen Datensätzen oft der Fall). Das Verfahren ist extrem rechenaufwendig, liefert dafür aber besonders präzise Daten.
Die Ergebnisse zeigen, dass sozialere Arten tatsächlich länger leben! Die Tiere erreichen ihre Geschlechtsreife später, pflanzen sich aber trotz ihres vergleichsweise späteren Einstiegs in das Sexualleben mit einer höheren Wahrscheinlichkeit fort. Zudem weisen sie eine insgesamt stärkere Resistenz gegenüber Umweltbedingungen auf, da sie nicht so schnell „aus der Bahn geworfen“ werden.
Die hohe Sozialität bringt jedoch auch Nachteile mit sich: Sozial organisierte Tierarten reagieren insgesamt langsamer auf Veränderungen ihrer Umwelt. Einzeln lebende Tierarten können sich dagegen oft schneller an neue Bedingungen anpassen.
Interessant war die Auswirkung der Sozialität auf den Alterungsprozess: Die Forscher fanden keinen signifikanten Einfluss der Sozialität auf das aktuarische Altern (Zunahme der Sterblichkeitsrate) oder das reproduktive Altern (Abnahme der Fähigkeit zur Fortpflanzung). Soziale Tiere sind also nicht notwendigerweise länger fruchtbar und sie altern biologisch zwangsläufig auch nicht langsamer (obwohl sie unter dem Strich länger leben).
Man vermutet, dass der positive Einfluss auf ein längeres Leben vor allem indirekt besteht, also etwa dadurch, dass sozialere Tierarten untereinander kooperieren und sich gegenseitig helfen. Solitär lebende Arten genießen diesen Schutz der Gruppe dagegen weniger und sterben u.a. deswegen häufig früher durch externe Gefahren (wie etwa durch Räuber, Hunger oder Umweltstress).
Die Ergebnisse der Tierstudie 1:1 auf den Menschen zu übertragen, ist wissenschaftlich natürlich nicht zulässig. Dennoch ist die Untersuchung aus Oxford äußerst interessant, da man durchaus einige Parallelen zum menschlichen Zusammenleben erkennen kann: Das Leben in einer Gemeinschaft kann Anpassungen der Gruppe selbst auf veränderte Umweltbedingungen verzögern. Gesellschaftliche Transformationen dauern einfach länger, wenn alle aufeinander Rücksicht nehmen, und man so viele wie möglich auf dem Weg der Veränderung mitnehmen möchte. Dafür sind die Gewinne einer sozial agierenden Gemeinschaft hoch: Die Unterstützung, der Trost und die gesellige Gemeinschaft, die Menschen sich in Gruppen untereinander schenken, macht eine Gesellschaft insgesamt stabiler und widerstandsfähiger. Viele Probleme des Einzelnen werden zudem kleiner und Beschwerden, die mit hohem Alter einhergehen sind vergleichsweise geringer. In einer Gemeinschaft altert man biologisch deswegen nicht langsamer, aber man lebt länger glücklich.
Wie sprach der weise Seneca einst: “Das Leben ist wie eine Reise: Die glückliche Gemeinschaft macht sie leichter.”
„Jeder Mensch ist wertvoll, denn für eine Gesellschaft werden alle Einzelnen benötigt, ähnlich wie ein Bild, das sich aus durchaus zwar verschiedenen, aber eben gleich wichtigen Puzzleteilen zusammensetzt. Wir sollten dafür Sorge tragen, dass jeder Mensch seine Chance bekommt, ein Teil dieses Bildes zu werden. Das macht uns gemeinsam als Gesellschaft nicht nur stabil, sondern hält viel Einzelne von uns auch länger gesund!“ Dr.Volker Busch
Hören Sie Volker Buschs Podcast „Besser zusammen“ zu diesem spannenden Thema. Es lohnt sich.
Sie finden die Podcastfolge auf der Seite von Dr. Volker Busch Folgenwebseite, sowie auf Itunes, Spotify und, Amazon, Deezer und YouTube.
Und er freut sich riesig auf Ihren akustischen Besuch.
Literatur:
1 Salguero-Gómez, R., More social species live longer, have longer generation times and longer reproductive windows. Philos Trans R Soc Lond B Biol Sci, 2024. 379(1916): p. 20220459.