Was bedeutet erfolgreiches Altern bei Hundertjährigen?

24 Aug

Erfolgreiches Altern: Wie Ärzte und Pfleger zu einem
erfüllten Leben beitragen

Keine Altersgruppe wächst so stark wie die der Hochbetagten. Laut Statistischem
Bundesamt lebten Ende 2016 2,25 Millionen Menschen in Deutschland, die 85
Jahre oder älter waren. Ein Jahrzehnt zuvor waren es noch 1,64 Millionen. Was
für diese Menschen ein erfülltes Leben ausmacht und wie Ärzte und Pflegekräfte
dazu beitragen können, davon berichtet Professorin Dr. Daniela Jopp in ihrem
Keynote-Vortrag mit dem Titel „Erfolgreiches Altern bei Hundertjährigen“ auf dem
Jahreskongress der Deutschen Gesellschaft für Geriatrie (DGG) und der
Deutschen Gesellschaft für Gerontologie und Geriatrie (DGGG). „Wir brauchen
für Hochbetagte neue Kriterien, um deren erfolgreiches Altern zu erfassen“, sagt
die Professorin für Psychologie an der Universität Lausanne (Schweiz). „Während
wir bei Älteren unter 80 Jahren vor allem auf körperliche Faktoren wie ein
geringes Risiko für Krankheiten achten, müssen wir bei sehr alten Menschen viel
stärker psychologische Faktoren berücksichtigen.“ Der Kongress findet vom 6.
bis 8. September in Köln statt.

9 Zutaten für gutes Altern. Aufgenommen in der Ausstellung "Dialog mit der Zeit"
Aufgenommen in der Ausstellung „Dialog mit der Zeit“

In einer Studie mit Hundertjährigen aus Heidelberg haben Jopp und ihre Kollegen
keinen einzigen Teilnehmer gefunden, der nicht mindestens eine chronische
Erkrankung aufwies. Im Durchschnitt litten die Hundertjährigen unter fünf Krankheiten.
„Die Lebenszufriedenheit dieser Menschen hängt jedoch nicht von der Zahl ihrer
Krankheiten ab, sondern vor allem von einem positiven Blick auf die Zukunft, vom
Zusammenleben mit anderen Menschen und davon, ob sie glauben, noch selbstständig
handeln zu können“, so Jopp. „Die allermeisten Hundertjährigen sind mit ihrem Leben
zufrieden oder sogar sehr zufrieden.“

Hochbetagte entwickeln Strategien, die sie zufriedener machen

Während es vielen Älteren zunächst schwer fällt, ihre gewohnten Alltagstätigkeiten
aufzugeben, wenn ihre Kräfte nachlassen, entwickeln Hochbetagte mit der Zeit jedoch
positive Strategien, um damit umzugehen. „Sie lernen zu akzeptieren, dass sie
manches nicht mehr schaffen, was ihnen früher leicht gelang. Das ist eine Stärke sehr
alter Menschen, die zu ihrer Zufriedenheit beiträgt.“

Die reduzierten Erwartungen, die sehr alte Menschen an ihr Leben stellen, könnten
aber auch dazu führen, dass sie nicht optimal medizinisch versorgt werden. „In unserer
Studie berichteten fast 30 Prozent der Hundertjährigen, dass sie oft oder ständig
Schmerzen haben. Das finde ich nicht akzeptabel“, betont Jopp. Ob dieser hohe Wert
daran liege, dass Hochbetagte glauben, ihre Schmerzen aushalten zu müssen, oder ob
sie bei ihren Ärzten nicht ausreichend Gehör fänden, müsse geklärt werden. Auf jeden Fall sollten Ärzte für die hohe Prävalenz von Schmerzen bei sehr alten Menschen sensibilisiert sein.

Hundertjährige haben ihre eigene Vorstellung vom guten Altern

In einer aktuellen Untersuchung hat Daniela Jopp gezeigt, dass gleichzeitige Hör- und
Sehbeeinträchtigungen Hochbetagte stark belasten und das Risiko für Depressionen
deutlich erhöhen. „Aber wie oft wird im Altenheim überprüft, ob die Sehstärke noch
stimmt oder ob ein Bewohner ein neues Hörgerät braucht? Hier können Pflegende und
Angehörige die Lebensqualität sehr alter Menschen wirksam verbessern, indem sie
solche Beeinträchtigungen aufmerksam verfolgen und bei Bedarf die Hilfsmittel
anpassen lassen.“

Weltweit erforschen nur wenige Wissenschaftler die Lebenswelt sehr alter Menschen, in
die Daniela Jopp in ihrer Keynote einen Einblick geben wird. „Wir müssen vor allem die
Modelle verbessern, die die Lebensqualität dieser Menschen beschreiben“, berichtet
sie. „Bislang arbeiten wir häufig mit drei oder vier Faktoren. Fragt man aber die
Hundertjährigen selbst, haben sie häufig sehr viel mehr Ideen, was zu einem guten
Altern beiträgt.“ Um wirksame Interventionen zu entwickeln, sei es daher notwendig,
sich dabei auch an den Vorstellungen der Hochbetagten zu orientieren, fordert Jopp.

Zur Person:

Prof. Dr. Daniela Jopp ist seit 2014 Professorin für Psychologie an der Universität
Lausanne (Schweiz) und Mitglied des Nationalen Forschungsschwerpunkts „LIVES –
Überwindung der Verletzlichkeit im Verlauf des Lebens“. Einen Schwerpunkt ihrer Arbeit
bildet seit vielen Jahren die Erforschung der Lebensqualität von Hundertjährigen,
zunächst als wissenschaftliche Mitarbeiterin an der Universität Heidelberg und ab 2008
an der Fordham University in New York (USA). Ihr Studium der Psychologie und ihre
Promotion absolvierte sie an der Freien Universität Berlin.

Termin:Prof. Dr. Daniela Jopp
Keynote-Lecture: „Erfolgreiches Altern bei Hundertjährigen“
DGGG/DGG-Kongress
Hörsaalgebäude 105, Hörsaal C, Universität zu Köln
Donnerstag, 6. September 2018
10:45 bis 11:30 Uhr