Ab welchem Alter ist man fahruntüchtig? Wann sollte man den Führerschein freiwillig abgeben?
Auf beide Fragen gibt es keine verbindliche Antwort. Feststeht, dass gerade ältere Menschen meist sehr viel umsichtiger fahren. Sie bringen damit sich und andere weniger in Gefahr als Fahranfänger. Ein weiterer Vorteil ist, dass ältere Menschen die Möglichkeit haben, ihre Fahrten so einzuteilen, dass sie sich selbst sicher und fit genug fühlen, um verantwortungs- bewusst und aufmerksam am Straßen- verkehr teilzunehmen. Feststeht leider auch, dass ältere Fahrer aufgrund abnehmender Sehschärfe, geringerer Reaktionszeit und körperlichen Einschränkungen häufiger an Unfällen beteiligt sind als jüngere Fahrer. Es kommt vermehrt zu Unfällen innerorts im Kreuzungsbereich.
Die Folge: Unfälle mit Personenschäden.
Von den Medien werden diese Unfälle gerne zum Anlass genommen, um ein Fahrverbot für Autofahrer 70plus zu fordern. Dabei spielt es keine Rolle, dass gerade in ländlichen Gegenden viele Ältere auf das eigene Auto angewiesen sind, wenn sie nicht ganz vom sozialen Leben ausgeschlossen sein wollen.
Dr. Sebastian Poschadel ging am Leibniz-Institut für Arbeitsforschung an der TU Dortmund der Frage nach „Macht Übung den Meister?“
Die Studie hatte zum Ziel, die Verbesserung der Fahrkompetenz älterer Autofahrerinnen und Autofahrer durch Fahrtraining im Straßenverkehr zu erreichen.
Das Ergebnis ist überraschend:
- Ein Fahrtraining ist eine Alternative für ältere Fahrer, bevor das Fahren ganz eingestellt wird.
- Schon Feedback verbessert die Fahrkompetenz älterer Fahrer signifikant auf das Niveau mittelalter Fahrer.
- Nur bei schwächeren Fahrern reicht das nicht aus. Bei ihnen verbessert erst das intensive Training die Fahrleistung auf dieses Niveau.
Zu einem ebenfalls positiven Ergebnis für ältere Autofahrer kam auch Prof. Desmond O’Neill MD, Trinity College Dublin, beim Jahreskongress der Deutschen Gesellschaft für Geriatrie (DGG) und der Deutschen Gesellschaft für Gerontologie und Geriatrie (DGGG) in Halle (Saale). In seiner englischsprachigen Keynote-Lecture „Driving and older people: a major theme for gerontologists and geriatricians“, hinterfragte er gängige Ansichten und Testverfahren, mit denen die Fahrtüchtigkeit älterer Menschen untersucht wird.
Unterstützen statt entmutigen
„Personenbeförderung ist der unsichtbare Klebstoff, der unsere Leben zusammenhält – ein unterschätzter Faktor für wirtschaftliches, soziales und persönliches Wohlbefinden“, ist Professor O’Neill überzeugt. Gerade für ältere Menschen bedeute ein eigenes Auto Unabhängigkeit und Selbstbestimmung. Doch statt sicherzustellen, dass sie bis in ein hohes Alter mobil bleiben können, würden Staat und Medizin alles unternehmen, um sie zur Abgabe des Führerscheins zu ermuntern. Nach Ansicht des 56 Jahre alten Iren grenze dies an „institutionalisierte Altersdiskriminierung“. „Ältere Autofahrer sind keine Risikogruppe!“, sagte der Geriater und Schlaganfall-Spezialist mit Verweis auf Unfallstatistiken in seinem vielbeachteten Vortrag im Rahmen des Altersmedizinkongresses in Halle an der Saale. „Alte Menschen gehören entgegen aller überzeugungen zu den sichersten Verkehrsteilnehmern.“
Ältere bewerten Risikosituationen besser
O’Neill nennt einen einfachen Grund hierfür: Erfahrung! Während Jüngere sich oft auf ihr Fahrgeschick verlassen würden, hätten Ältere im Laufe der Jahre gelernt, Risikosituationen richtig einzuschätzen – und sie, wenn möglich, schon im Voraus zu vermeiden. „Wenn es draußen dunkel und eisig ist, verlegen Ältere die Fahrt halt auf den Folgetag, wenn die Bedingungen besser sind“, nennt er ein Beispiel. Oder auch: „Wenn ich hinter einem Laster fahre, muss ich dann unbedingt in einer Kurve überholen?“ Seine Erkenntnis lautet daher: „Das Alter bringt die Fähigkeit mit sich, sicher Auto zu fahren.“
O’Neill wirbt aber nicht nur dafür, ältere Menschen dabei zu unterstützen, möglichst lange mobil und aktiv zu bleiben. Er fordert auch, dass die Autoindustrie mehr Rücksicht nehmen soll auf ihre speziellen Bedürfnisse. So seien herkömmliche Airbags eine nicht unerhebliche Gefahrenquelle; die Geschwindigkeit und die Kraft, mit der sie sich entfalten, seien standardmäßig ausgelegt für jüngere, 70 Kilogramm schwere Männer. „Ältere Menschen sind aber viel zerbrechlicher“, mahnt O’Neill. „Es ist ein Paradox: Es gibt weniger Unfälle, aber mehr Tote. Hier ist gerade mit Blick auf den demographischen Wandel in Punkto Fahrsicherheit noch einiges zu tun! “