Wer überprüft barrierefreies Bauen in Pflegeheimen?
Diese Pressemitteilung erreichte uns heute am 27. März 2019. Verantwortlich für den Inhalt ist: Lebensraum für Alle e.V., Längenloh 11, 79108 Freiburg www.lebensraum-fuer-alle.org
Gernot Wolfgang, Vorsitzender des Vereins „Lebensraum für Alle“, berät seit vielen Jahren ehrenamtlich Menschen, die aus Alters- oder Krankheitsgründen umbauen müssen. Da viele ältere Menschen in Altbauten leben, müssen Umbauten zunächst mit dem Vermieter bzw. mit der Eigentümergemeinschaft abgeklärt werden. Aber selbst wenn alle zustimmen, gibt es oft Situationen, in denen er nur noch zu einem Umzug in ein Pflegeheim raten kann.
Leider musste er nicht nur in alten sondern in neuerbauten Pflegeheimen die Erfahrung machen, dass die Wohnbereiche für Rollstuhl- oder Rollatornutzer/innen und auch für viele andere Alterskrankheiten nicht geeignet sind. Sie erfüllen in diesem Bereich nicht die gesetzlichen Vorgaben der DIN. Zwar wird in den Werbebroschüren der Pflegeheime immer von Hilfe zum selbstbestimmten Leben der Bewohner/innen geschrieben, aber tatsächlich sind die räumlichen Verhältnisse so, dass für jeden Toilettengang Hilfe notwendig ist. Pflegebedürftige im Rollstuhl, die sich zuhause bislang selbst auf die Toilette umsetzen konnten, können das wegen der beengten Verhältnisse in den Bädern mancher Heime nun nicht mehr. Das ist nicht nur ein Stück verlorener Würde und Selbstbestimmung sondern auch die Pflegekräfte werden durch die räumliche Enge in ihrer schweren Arbeit behindert.
Gernot Wolfgang fragte bei der Heimaufsicht und beim Baurechtsamt, warum solche Heime genehmigt werden. In beiden Ämtern sah man keine Möglichkeit so etwas zu verhindern. Man argumentierte mit Vorgaben, die weder das Wirtschaftsministerium noch die Verbraucherzentrale für Pflegeheime akzeptieren wollen.
Das ist schon deshalb nicht nur verwunderlich und empörend, weil es neben der Landesbauordnung reichlich Broschüren auf dem Markt gibt, die das barrierefreie Bauen in allen Einzelheiten und selbst für Laien verständlich in Checklisten beschreiben.
Wer überprüft barrierefreies Bauen bei den städtischen Wohnungsbaugesellschaften?
Nun ist es bekanntlich der Wunsch der meisten Menschen, so lange wie möglich in den eigenen vier Wänden wohnen zu bleiben. Dazu müssten allerdings die Wohnungen barrierefrei sein. Aber immer wieder wird Gernot Wolfgang bei Beratungsgesprächen Zeuge, dass sogar in jüngster Zeit gebaute Wohnhäuser nicht die gesetzlichen Vorgaben erfüllen. Selbst private Bauherren unterliegen den Vorschriften der LBO (§ 35 Wohnungen), dass in Wohngebäuden mit mehr als zwei Wohnungen, die Wohnungen eines Geschosses barrierefrei erreichbar und die Wohn- und Schlafräume, eine Toilette, ein Bad und die Küche barrierefrei nutzbar und mit dem Rollstuhl zugänglich sein müssen.
Warum bauen dann städtische Wohnungsbaugesellschaften nicht grundsätzlich barrierefrei oder zumindest nach gesetzlichen Vorgaben? Nur so können Menschen bis ins hohe Alter zuhause wohnen bleiben, entlasten den Staat vom Bau teurer Pflegeheime und mindern den Bedarf an Pflegekräften. Die stationäre Pflege hat einen Anteil von 27 Prozent aller zu Pflegenden. Sie ist seit Jahren die teuerste Variante und gilt auf Dauer nicht finanzierbar. Durch den Demografischen Wandel – also bei einem zunehmenden Anteil von Pflegebedürftigen – müssen die Kommunen einen immer größer werdenden Anteil der Kosten tragen.
Intention der Investoren und Bauträger ist es, den Pflegeheim-Markt wegen der hohen Renditen abzuschöpfen. Bundesgesundheitsminister Spahn monierte bereits die zweistelligen Renditen in diesem Bereich. Beteiligt am Bau von Pflegeheimen sind Investoren, Bauträger, Architekten und Träger von Heimen. Kontrolliert werden sollten sie von Baurechtsamt und der Heimaufsicht. Alle genannten Institutionen werden ihrer Aufgabe aus Sicht von „Lebensraum für Alle e.V:“ nicht gerecht. Auch beim städtischen Wohnbau gibt es keinerlei Prüfinstanzen, die die Baupläne – spätestens jedoch die Ergebnisse kontrollieren.
„Lebensraum für Alle e.V“ macht sich zusammen mit seinen Partnern dafür stark, ein selbstbestimmtes Leben für ALLE einzufordern. Das ist auch das Ziel der Wohnraumberaterschulungen des Vereins. Als Mitglied der Bundesarbeitsgemeinschaft Wohnungsanpassung (BAG) e.V. steht der Verein zu deren Forderungen, grundsätzlich barrierefrei zu bauen bzw. eine vernünftige Lösung bieten zu können, wenn die Pflege zuhause nicht mehr geleistet werden kann. Was aber sollen Wohnraumberater/innen Betroffenen aufgrund der beschriebenen Situation raten?