Urteil des BAG zum Kündigungsschutz älterer Mitarbeiter

9 Sep

 Altersdiskriminierende Kündigung in einer Arztpraxis

Eine Gemeinschaftspraxis hatte einer 63-jährigen Mitarbeiterin mit der Begründung gekündigt, dass Veränderungen im Laborbereich anstünden und die Mitarbeiterin inzwischen pensionsberechtigt sei.

Dies wollte die Frau nicht hinnehmen und zog vor das Arbeitsgericht. Die Vorinstanzen wiesen die Klage ab. Das Bundesarbeitsgericht gab der Klage mit der Begründung statt, dass die Kündigung gegen das Benachteiligungsverbot aus dem Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetz verstoße und deshalb unwirksam sei.

Diese Entscheidung des BAG wird angesichts der demografischen Entwicklung für die Zukunft sicherlich Auswirkungen haben. Und dies nicht nur für Großbetriebe, sondern auch für Kleinunternehmen, wie Arztpraxen und Handwerksbetriebe.

BAG Urteil vom 23. Juli 2015, 6 AZR 457/14

Pressemitteilung des BAG zu diesem Urteil:

 Altersdiskriminierende Kündigung im Kleinbetrieb

Ist bei einer Kündigung gegenüber einer Arbeitnehmerin aufgrund von ihr vorgetragener Indizien eine unmittelbare Benachteiligung wegen des Lebensalters nach § 22 AGG zu vermuten und gelingt es dem Arbeitgeber nicht, diese Vermutung zu widerlegen, ist die Kündigung auch im Kleinbetrieb unwirksam.

Die am 20. Januar 1950 geborene Klägerin war bei der beklagten Gemeinschaftspraxis seit dem 16. Dezember 1991 als Arzthelferin beschäftigt. In der Praxis waren im Jahr 2013 noch vier jüngere Arbeitnehmerinnen tätig. Die Klägerin war zuletzt überwiegend im Labor eingesetzt. Die Gesellschafter der Beklagten kündigten ihr Arbeitsverhältnis mit Schreiben vom 24. Mai 2013 zum 31. Dezember 2013 wegen Veränderungen im Laborbereich, welche eine Umstrukturierung der Praxis erforderten. Dabei führten sie an, die Klägerin sei „inzwischen pensionsberechtigt“. Den anderen Beschäftigten wurde nicht gekündigt. Mit ihrer Klage wendet sich die Klägerin gegen die Wirksamkeit der Kündigung und verlangt eine Entschädigung wegen Altersdiskriminierung. Das Kündigungsschreiben lasse eine Benachteiligung wegen ihres Alters vermuten. Nach Darstellung der Beklagten sollte die Kündigung lediglich freundlich und verbindlich formuliert werden. Die Kündigung sei wegen eines zu erwartenden Entfalls von 70 bis 80 % der abrechenbaren Laborleistungen erfolgt. Die Klägerin sei mit den übrigen Arzthelferinnen nicht vergleichbar, weil sie schlechter qualifiziert sei. Deshalb sei ihr gekündigt worden.

Die Vorinstanzen haben die Klage abgewiesen. Die Revision der Klägerin hatte vor dem Sechsten Senat des Bundesarbeitsgerichts Erfolg. Die Kündigung verstößt gegen das Benachteiligungsverbot des § 7 Abs. 1 AGG und ist deshalb unwirksam. Die Beklagte hat keinen ausreichenden Beweis dafür angeboten, dass die wegen der Erwähnung der „Pensionsberechtigung“ zu vermutende Altersdiskriminierung nicht vorliegt. Ob und ggf. in welcher Höhe der Klägerin der geltend gemachte Entschädigungsanspruch zusteht, kann noch nicht festgestellt werden. Die Sache wurde insoweit zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Landesarbeitsgericht zurückverwiesen.

 

Schreibe einen Kommentar